Von Marktferne, Wunschdenken und Beratungsresistenz

Von Marktferne, Wunschdenken und Beratungsresistenz
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Der gegenwärtig laufende Prozess gegen Anton Schlecker wegen Bankrotts bringt z.T. Erstaunliches zutage, das aber auf den zweiten Blick auch für manche mittelständischen (Familien-) Unternehmen irgendwie typisch ist (natürlich alles eine Nummer kleiner). In Stuttgart steht ein Mann vor Gericht, der sein Unternehmen innerhalb von drei Jahrzehnten zu Europas größter Drogeriemarktkette entwickelt hat (14.000 Filialen, 50.000 Mitarbeiter, 7 Milliarden EUR Umsatz). Und der nur wenige Jahre später an seinem Erfolgsmodell zugrunde gegangen ist.

Wir erleben ein Lehrstück über Marktferne, Wunschdenken und Beratungsresistenz. Da meinte jemand, sein Geschäftsmodell sei für die Ewigkeit gemacht!

Aber ganz von vorne.

Schlecker, Rossmann und DM entstehen fast zeitgleich Mitte der 70iger Jahre als Reaktion auf den Wegfall der Preisbindung für Drogerieartikel. Als Fachmarktkonzepte greifen sie mehr oder weniger preisaggressiv den traditionellen Einzelhandel an.

Schlecker sieht sich als der Aldi unter den Drogeriemarktketten, will durch karge Ausstattung der Filialen und Minimallöhne für die Mitarbeiter der Billigste im Markt sein. Die Geschäftsidee: wer die größten Volumina bewegt, erhält die höchsten Rabatte und die besten Zahlungskonditionen von seinen Lieferanten und kann diese quasi an der Finanzierung des Wachstums beteiligen.

„Die Philosophie von Anton Schlecker war immer, durch extreme Größenvorteile Preisvorteile zu erreichen. Dieser Blickwinkel war sicherlich zu einkaufsorientiert und zu wenig kundenorientiert.“, sagte Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz als Zeuge im Schlecker-Prozess.

Anders formuliert: Die Kundenansprüche sind im Laufe der Jahre gestiegen und der Wettbewerb hat reagiert. DM etwa bietet seinen Kunden ein angenehmes Einkaufsambiente, eine attraktive Warenpräsentation, geräumige Wege durchs Geschäft und ist trotzdem, wie es in ihrem Claim heißt,  „dauerhaft günstig“.

Mit seiner mangelnden Kundenorientierung verliert Schlecker über die Zeit Käufer an die Konkurrenz  und damit auch Einkaufsvolumina, was das Geschäftsmodell erschüttert.

Und jetzt kommt das aus meiner Sicht Erstaunlichste am Fall Schlecker überhaupt: als Reaktion eröffnet Schlecker weitere Filialen, um die Einkaufsmengen wieder erhöhen und die Einkaufspreise drücken zu können.

Das muss man sich mal vorstellen: als schon „alle Welt“ (z.B. DM-Gründer Götz Werner: „Schlecker ist das unproduktivste Unternehmen der Branche!“) darüber spricht, dass Schlecker Filialen schließen müsste, expandiert Anton Schlecker weiter. Ganz nach dem Motto: die Probleme sind temporärer Natur, mit dem bewährten Geschäftsmodell kommen wir garantiert in Kürze aus der Krise.

Als dann 2010 endlich ein Beratungsunternehmen ins Haus geholt wird, das ein radikales Sanierungskonzept (2.500 Filialen schließen, 6.500 Filialen modernisieren) vorschlägt, wird die Umsetzung verschleppt. Offenbar misstraut  der „Selfmademan“ Anton Schlecker den „smarten Powerpoint-Artisten“. Für den eigenen Zukunftsplan „Fit for Future“ fehlt schließlich das Geld, so dass Schlecker 2012 Insolvenz anmelden muss.

Nochmal Arndt Geiwitz: „Schlecker war – wie viele andere Patriarchen in der deutschen Wirtschaft – sicherlich beratungsresistent und hat zu spät auf die Krise seines Unternehmens reagiert“.

Geschäftsmodelle müssen laufend überprüft werden, weil sich Konsumgewohnheiten, Wettbewerb, Technologien etc. verändern.

Lange vor der finalen Ertrags- und Liquiditätskrise steckte Schlecker schon in einer Strategiekrise. Nur wurde diese durch Umsatzwachstum und Gewinn verdeckt (ob die Marktanteilsentwicklung als aussagefähiger Frühindikator gemessen worden ist, wissen wir nicht).

Eine Erosion der Erfolgsfaktoren schlägt sich nun mal nicht in Controlling-Kennzahlen nieder. Und Unternehmer wie langjährige Manager sind oft von ihren Erfolgen der Vergangenheit so geblendet, dass sie die Probleme nicht erkennen (wollen).

Unternehmen müssen sich hinterfragen, ob sie nah genug am Kunden agieren, ob sie selbstkritisch genug sind, ein Problem auch als Problem zu akzeptieren und ob sie schließlich der objektiven Sicht von Beratern offen genug gegenüberstehen.

Wenn nicht, könnten sie irgendwann auch zu „kleinen Schleckers“ werden!

 

 

 

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